Interview mit Hessen Mobil

03.04.13

Fragen des Verbands der Motorradclubs Kuhle Wampe an Hessen Mobil vertreten durch Herrn Diehl, Dezernent Verkehr Mittelhessen und der AG Biker – 3. April 2013

 

1.

Flyer Hessen-Mobil fuer Biker 2012 Die Kuhle Wampe setzt sich für eine Ausrüstung von Leitplanken mit einem Unterfahrschutz nach dem Euskirchener Modell ein. Hier wurde gerade in Hessen schon einiges durch Hessen Mobil geleistet: 350 Kurven sind bereits mit einem solchen Schutz ausgestattet. Dies entspricht rund 21 Kilometern Straße. Beim Nachrüstprogramm 2011 kamen bis Juni zehn besonders kurvenreiche Strecken von zusammen 1,25 Kilometern Länge im Odenwald, Taunus und Lahn-Dill- Kreis hinzu. Die Kosten von 40.000 Euro teilten sich das Land Hessen und der ADAC Hessen-Thüringen e.V. Diesen Ausgaben stünden volkswirtschaftliche Einsparungen in Millionenhöhe gegenüber, erklärte Hessens Verkehrsminister Dieter Posch.

a.) Wie können auch andere Straßen- und Verkehrsverwaltungen motiviert werden, entsprechende Nachrüstprogramme zum Unterfahrschutz zu forcieren?

Hessen Mobil setzt bereits seit über 10 Jahren Unterfahrschutz für mehr Motorradsicherheit ein. Vor allem die kurvenreichen Strecken in Hessens Mittelgebirgen wie Odenwald, Taunus, Spessart, Vogelsberg, Rhön, Meißner oder Edersee haben wir dabei besonders im Blick. Und nicht nur in Sachen Unterfahrschutz. Unsere 60 Straßenmeistereien prüfen im Rahmen der regelmäßigen Streckenkontrollen, was die Sicherheit von Motorradfahrerinnen und Motorradfahrern gefährden könnte, ob es Hin- dernisse am Streckenrand gibt oder ob Fahrbahnschäden motorradgerecht ausgebessert sind. Hessen Mobil kommuniziert verkehrssichernde Maßnahmen dabei bewusst aktiv, damit das Thema Motorradsicherheit öffentlich noch stärker wahrgenommen wird. Auch viele andere Bundesländer engagieren sich mittlerweile in Sachen Motorradsicherheit.

b.) Gibt es Material – Statistiken, Schätzungen o. ä. – über die zu erwartenden volkswirtschaftlichen Einsparungen?

Dazu gibt es keine Berechnungen. Die Wirkung von einzelnen verkehrssichernden Maßnahmen lassen sich anhand einer Vorher-Nachher-Betrachtung des Unfallgeschehens ermitteln. Für die Schätzung von volkswirtschaftlichen Schäden gelten dabei folgende bundesweit gültige Richtwerte (Stand: 2000):

  • Unfalltoter: 1,25 Mio €
  • Schwerverletzter: 85.000 €
  • Leichtverletzter: 3.750 €
2.

hessen-mobil-2 Hessen Mobil hat darüber hinaus eine interne Arbeitsgruppe „Hessen Mobil für Biker“ ins Leben gerufen und startete in 2011 ein internes Qualifizierungsprogramm für Streckenkontrollen: Mitarbeiter werden dabei noch stärker darauf sensibilisiert, Strecken speziell auf Gefahrenpunkte für motorisierte Zweiräder zu prüfen.

a.) Haben Sie Kenntnis von ähnlichen Initiativen in anderen Bundesländern? Wenn ja, welche, wenn nein, wie könnte man solche eventuell initiieren?

Ob es auf Behördenebene ähnliche Initiativen gibt wie unsere Arbeitsgemeinschaft Hessen Mobil für Biker, wissen wir nicht. So etwas zu initiieren ist aber ganz einfach: Gute Ideen haben und in die Tat umsetzen. Ein praktisches Beispiel ist hier unsere Streckenwartschulung für mehr Motorradsicherheit. Damit haben wir in Hessen den Anfang gemacht und das Erfolgsmodell setzt sich durch: Beispielsweise schult nun auch die Straßenverwaltung Mobilität Rheinland-Pfalz ihr Betriebspersonal darin, die Straße durch das Auge der Biker zu lesen. Neben diesem Engagement gibt es natürlich auch Regelwerke und Empfehlungskataloge wie das „Merkblatt zur Verbesserung der Verkehrssicherheit auf Motorradstrecken – MVMot“ von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen. An diesen Informationen orientieren sich natürlich alle Straßenbauverwaltungen bei ihrer täglichen Arbeit.

b.) Gibt es die Möglichkeit, als Motorradfahrende auch Hin- weise über Gefahrenstellen in die Arbeitsgruppe „Hessen Mobil für Biker“ einfließen zu lassen?

Wir nehmen jede Anregung gerne entgegen, einfach eine E-Mail an info@mobil.hessen.de schicken.

c.) Welche weiteren konkreten Erfolge oder Verbesserungen konnten bislang durch die Arbeit der „Hessen Mobil für Biker“ realisiert werden?

hessen-mobil-1 Für Hessen Mobil war es wichtig über die AG Biker zwei Ziele zu erreichen:

a) Das Thema der Motorradsicherheit auf hessischen Straßen soll noch stärker in den Fokus bei Hessen Mobil mit seinen klassischen Bereichen Planung, Bau, Betrieb und Verkehr gerichtet werden.  Ein guter Start war für die AG Biker die bereits genannte Qualifizierung der Streckenwarte, welche täglich die rund 17.000 km Straßen in Hessen kontrollieren. Ziel dieser Qualifikation ist es, dass unsere ca. 150 Streckenwarte ihre Kontrollfahrten auch aus Sicht eines Motorradfahrers durchführen. Hierbei lassen sich Sicherheitsrisiken erkennen, gleich beseitigen, ggf. absichern und/oder weitere Maßnahmen einleiten. Diese Qualifizierung wird von unseren Streckenwarten als sehr positiv angesehen.Wir werden das Schulungsprogramm daher auch in 2013 fortsetzen. Im Zusammenhang mit der Streckenwartschulung hat die AG Biker auch eine Checkliste für die Straßenund Autobahnmeistereien entwickelt, die auf einen Blick die wirkungsvollsten Methoden zu Behebung von möglichen kritischen Punkten zusammenfasst.

hessen-mobil-3 b) Wir möchten den direkten Dialog mit Motorradfahrerinnen und Motorradfahrern suchen, um einerseits die Bedürfnisse der Zielgruppe abzufragen, andererseits um über unsere verkehrssichernden Maßnahmen aufzuklären. Deshalb gehen wir seit Start der AG offensiv auf Motorradfahrerinnen und Motorradfahrer zu, zum Beispiel mit einem Infostand beim Schottenring Grand Prix 2012 oder der diesjährigen Motorradmesse Gießen. Auch beim Verkehrssicherheitstag am Bikertreff Falltorhaus haben wir das direkte Gespräch mit Bikern gesucht und Rede und Antwort gestanden. Dabei scheuen wir auch keine kritischen Diskussionen zu Fahrbahnzuständen oder unvermeidlichen temporären Einschränkungen für motorisierte Zweiräder. Wir bleiben hier weiterhin dran.

3.

euskirchener modell L3139 Wie hoch sind Ihrer Kenntnis nach die tatsächlichen Kosten für die Nachrüstung mit einem Unterfahrschutz in der Praxis im Durchschnitt? (Bemessungsgröße z.B. Euro pro Meter)

Rund 25 – 35 € pro Meter.

 

 

4.

unfallauswertung_landkreis_giessen_1200x800 Seit 2006 erfolgt die polizeiliche Unfallaufnahme von Unfallhäufungsstellen datenbankbasiert. Das heißt: Unfallauswertungen und die Darstellung der Unfälle erfolgt auf digitalen Karten, sogenannten Unfalltypenkarten. Diese dezidierte Aufarbeitung der Daten nach Unfallhergang, Umständen und Folgen erlaubt es, Unfallhäufungen auf einen Blick zu lokalisieren und Ursachen zu analysieren. Die Einstufung als Unfallhäufungsstelle erfolgt, wenn sich innerhalb eines Jahres auf einem Streckenabschnitt von 300 Meter Länge oder an einem Knotenpunkt mindestens fünf Unfälle gleichen Typs bzw. mindestens drei Unfälle mit schwerem Personenschaden innerhalb von drei Jahren ereignet haben. Gibt es für uns die Möglichkeit, idealerweise bundesweit Einsicht in diese Karten zu bekommen?

Die Bundesländer sind diesbezüglich nicht vernetzt. Interessierte müssten sich an die jeweiligen Landesverwaltungen wenden, um Einsicht zu erhalten.

5.

euskirchener modell B276 In Ihrer E-Mail vom 12. Dezember erwähnen Sie die unlängst durchgeführte Nachrüstung der B276 auf der Strecke Laubach-Gedern mit dem Euskirchener Modell.

a) Haben Sie in Planung, weitere Strecken oder Streckenabschnitte mit diesem Modell umzurüsten?

b) Sind konkrete Projekte in Arbeit?

Wir haben auf der B276 Laubach-Gedern in 2012 weitere vier Kurven mit dem Euskirchner Modell ausgerüstet, damit sind es auf diesem Streckenabschnitt insgesamt 26 mit rund 3,6 Kilometer Unterfahrschutz. Darüber hinaus lässt sich in der Region Mittelhessen, also Landkreis Gießen, Vogelsberg, Wetterau und Main-Kinzig, kein weiterer Bedarf dafür ermitteln.

6.

Auch in Hessen werden Straßen neu gebaut oder umgebaut. Uns ist an verschiedenen Strecken aufgefallen, dass wir die erfolgte volle Beplankung mit StandardLeitplanken nicht für nötig halten. Wird auch bei solchen Umund Neubauten über andere Möglichkeiten der Sicherung nachgedacht, wie z. B. Erdwälle oder der direkte Einsatz des Euskirchener Modells?

Bei Straßenneubauten gilt zunächst der Grundsatz, dass die richtlinienkonforme geplante Straße verkehrssicher ist, und es keiner zusätzlichen Straßenausstattung (z. B. Unterfahrschutz) bedarf. Dies gilt analog für Umbaumaßnahmen bzw. „grundhaften Erneuerungen“. Im Straßenbestand sind die unfallauffälligen Straßenabschnitte im Zusammenhang mit Motorradunfällen bekannt und entsprechende Abhilfemaßnahmen werden ergriffen.

Termin Kuhle-Wampe Hessen-Mobil