Kommentar zur Entschließung des Bundesrates zur wirksamen Minderung und Kontrolle von Motorradlärm

18.07.20

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Kommentar des Verbands der Motorradklubs Kuhle Wampe zur Entschließung des Bundesrates zur wirksamen Minderung und Kontrolle von Motorradlärm in der 989. Sitzung am 15. Mai 2020.

Auch wenn uns als umweltbewusste Motorradfahrende das Thema Umweltverschmutzung durch Lärm präsent ist und wir einerseits Verständnis für die Entschließung des Bundesrates haben, sehen wir andererseits bei der vorliegenden Form doch erhebliche Defizite.

Im Einzelnen:

  • Es ist völlig richtig und angemessen, die Form der bisherigen Lärmmessung zu überarbeiten, da die jetzige Messvorschrift nicht praxisangemessen ist. Insofern können wir der Entschließung zustimmen.
    Absolut inakzeptabel jedoch ist die einseitige Beschränkung lediglich auf Motorräder. Das ist eindeutig eine Diskriminierung einer Gruppe von Verkehrsteilnehmenden. Wenn Lärmbeschränkung, dann muss dies zwingend für alle Kraftfahrzeuge gelten. Auch PKW-Fahrende mit Sport- oder Klappenauspuff tragen nicht unerheblich zur Lärmbelästigung bei.
  • Anstatt nur bei den Motorradfahrenden den Hebel anzusetzen und durch Strafverschärfungen zu reagieren, sehen wir die Bundesregierung in der Pflicht, vor allem auf die Herstellenden und Fahrzeugindustrie Einfluss zu nehmen. Ob Motorrad oder PKW, es gibt genügend technische Möglichkeiten, die Lärmemissionen ohne massiven Leistungsverlust zu vermindern. An Stelle des bei hochpreisigen Fahrzeugen von der Fahrzeugindustrie betriebenen „Soundengineerings“ sollte die Gesetzgebung hier durch geeignetere Vorschriften für eine allgemeine Lärmminderung sorgen. Hier sehen wir insbesondere auch im PKW-Bereich Handlungsbedarf und Handlungsmöglichkeiten.

Es richtig und angemessen, auch auf die Fahrzeugführenden und deren Verhalten durch entsprechende Kampagnen und Maßnahmen einzuwirken. Eine Unterstützung einseitiger, auf Motorradfahrende zugeschnittener Initiativen ist jedoch absolut inakzeptabel und abzulehnen.

Eine ausschließliche Beschränkung derartiger Maßnahmen auf Motorradfahrende berücksichtigt andere lärmende Verkehrsmittel (z.B. PKW´s mit Sport- oder Klappenauspuff) nicht und ist eine einseitige diskriminierende Maßnahme. Dies sorgt eher für eine Polarisierung der Gesellschaft, als für eine Lösung des Konfliktes.

  • Eine einseitige Beschränkung von Soundsystemen lediglich für Motorräder ist abzulehnen. Wenn solche Regelungen getroffen werden (z.B. Verbot von Klappenauspuffanlagen), haben Sie für ALLE Kraftfahrzeuge zu erfolgen. Nur so lässt sich die Lärmemission insgesamt reduzieren.

Eine Unterstützung bei der Entwicklung und Produktion von leiseren, haltbareren und umweltverträglicheren Fahrzeugen ist eine grundsätzlich begrüßenswerte Maßnahme. Betrachtet man bei den zugelassenen Motorrädern Baujahr und Lebensalter und vergleicht das mit dem durchschnittlichen Lebensalter aller KFZ, wird deutlich, dass in Bezug auf die Nutzungsdauer das Motorrad bereits eine ressourcenschonende Vorreiterrolle hat.

  • Eine Entwicklung neuer mobiler Messverfahren ist zu begrüßen, sofern diese für alle KFZ gelten.
    Verwunderlich finden wir, dass Verhaltensweisen, die in anderen Kontexten als zutiefst diskriminierend abgelehnt werden, vom Bundesrat auf Motorradfahrende angewendet werden.
  • In Anbetracht der sich seit Jahren verbessernden Technik von z.B. Radarkontrollen mit schwenkbaren Kameras, sehen wir hier keinen zusätzlichen besonderen Handlungsbedarf bezüglich einer Kennzeichnung von Motorrädern.
  • Eine Abkehr vom Schuldprinzip wäre ein gravierender verfassungsrechtlicher Eingriff mit weitreichenden Folgen für unser Demokratieverständnis. Das erinnert eher an Begrifflichkeiten wie „Kollektivschuld“ als an Maßnahmen, die für eine lebendige demokratische Gesellschaft sprechen. Derartige Maßnahmen wären ein weiterer Schritt in Richtung auf einen Überwachungsstaat und fördern eher Repressionsdenken und Denunziantentum anstatt Fehlverhaltensweisen einzelner angemessen zu sanktionieren. Hier ist unseres Erachtens der Staat in der Pflicht, andere angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um das individuelle Schuldprinzip durchzusetzen und gezielt die Verursachenden zu bestrafen und eine Verhaltensänderung zu fördern.
  • Eine verpflichtende Einführung eines Fahrtenbuches ist abzulehnen. Die bisherigen Möglichkeiten einer Fahrtenbuchauflage zu überarbeiten kann ggf. sinnvoll sein, eine generelle Fahrtenbuchauflage wäre jedoch ein deutlicher Verstoß gegen die Einzelfallgerechtigkeit.

Sehr verwunderlich fanden wir auch den Abschnitt der Begründung, der nur vom Motorradfahren als Freizeitvergnügen und Hobby spricht. So gibt es eine erhebliche Anzahl von Verkehrsteilnehmenden, für die das Motorrad wie für andere das Auto ein Alltagsfahrzeug ist und entsprechend auch weitgehend täglich genutzt wird. Und genauso wie Autofahrende mit ihrem Alltagsfahrzeug am Wochenende „ins Grüne“ fahren, tun dies Motorradfahrende auch.

Zudem würden wir es bei der steigenden Verkehrsdichte mit immer mehr Staus und Verkehrskollapsen gerade im urbanen Bereich für sinnvoller halten, sich mit den Vorteilen eines motorisierten Zweirades auseinanderzusetzen, anstatt Zweiräder zu verteufeln und durch einseitige Beschränkungsmaßnahmen zu diskriminieren und (ähnlich wie es jetzt zumindest teilweise bei den Fahrrädern passiert) die Vorteile zu sehen, Motorräder durch spezifische Regelungen da, wo sie sinnvoll einsetzbar sind, gezielt zu fördern.