80 Jahre nach der Reichspogromnacht

20.11.18

chemnitz Chemnitz hat sich in den letzten Wochen nicht gerade mit Ruhm bekleckert, das sollte sich auch am 09.11.2018 fortsetzen. Aber eins nach dem anderen. Eins muss der Stadt zugute gehalten werden, es haben sich für den 09.11. viele bunte Initiativen gebildet um ein starkes Rahmenprogramm für den besagten Freitag zu schaffen. Im SMAC (staatliches Museum für Archäologie, welches im ehemaligen und von den Nationalsozialisten enteigneten Kaufhaus Schocken sitzt) gab es eine Sonderausstellung zum Thema der Reichspogromnacht in Chemnitz und Sachsen. Wer wollte konnte sich also direkt vor Ort über die geschichtlichen Ereignisse aufklären lassen.

Von der KW Pleißenburg reisten 3 Wampen und 3 Sympies nach Chemnitz um die geplante Kundgebung der Initiative “Chemnitz Nazifrei” zu unterstützen. Die Gegenseite, “ProChemnitz” hat bis in den Sommer 2019 jeden Freitagabend eine Veranstaltung angezeigt. An dem geschichtsträchtigen Freitag sollte es Ihnen nicht gelingen das Karl-Marx-Monument für Ihre Propagandazwecke zu nutzen. Die Idee war es, den Platz mit vielen Menschen ab 15 Uhr zu besetzen, so dass die Kundgebung des rechten Flügels nicht durchgeführt werden kann. Diese sollte 18:30 Uhr starten. Das alles birgt natürlich gewisse Unsicherheitsfaktoren.

Das dachte sich die Stadt Chemnitz scheinbar auch und hatte ein paar Tage vor dem 09.11. kurzerhand eine Baustelle zur “Renovierung des Bürgersteigs” vor dem Karl-Marx-Kopf errichten lassen. Der Platz sei eine Gefahr für die Öffentlichkeit, da er in den letzten Monaten so stark beansprucht wurde. Klar, oder? Kurzum wurde die Aktion vom “Bündnis Chemnitz Nazifrei“ rechts neben den “Nischel” platziert, ProChemnitz links daneben. Auch hier hätte die Stadt etwas kreativer sein können…

Unsere Reisegruppe kam mit etwas Verspätung in Chemnitz an, parkte die Moppeds am vereinbarten Sammelpunkt und zog zu Fuß in die Innenstadt. Für den direkten Weg zu unserer Veranstaltung hätten wir an dem Treffpunkt von “ProChemnitz” vorbeigehen müssen. Das wurde uns dann Schritt für Schritt von den Polizist*innen verwehrt. Mensch beachte, es war fast 2 Stunden vor der Nazikundgebung! Führte kein Weg ran, also einen Schlenker durch die Innenstadt gemacht und über kleine Umwege zu unserer Aktion, welche direkt an einer großen Kreuzung stattfand. Hier gab es Redebeiträge von Linken, Grünen, Flüchtlingen. Im Endeffekt ein schönes Rahmenprogramm, mit schickem LCD Display, damit auch die letzten etwas sehen konnten. Blöd nur, dass es scheinbar keinen der Polizist*innen interessierte, dass in der Menge Nazis unterwegs waren und die Veranstaltung gezielt stören wollten. Das hatte sich nach einiger Zeit geklärt, aber erst mit direkter Aufforderung dass die Polizei bitte eingreifen sollte. Aber richtig eklig wurde es, als die Polizei Nazis durch unsere Veranstaltung schleuste, damit diese zu ProChemnitz gelangen konnten. Echt jetzt? Wir durften, wo noch nix los war, nicht mal zu unserer Veranstaltung und der Staat erlaubt es, das Faschos mit Bierflaschen durch unsere Kundgebung laufen dürfen? Das hat mal wieder gezeigt, wo der Fokus liegt. Ebenfalls stand Nico Köhler vom AfD Kreisverband Chemnitz (Öffentlichkeitsarbeit, IT- & Social-Media-Verantwortlicher) unbehelligt am Rande unserer Veranstaltung. Sogar die städtische Obrigkeit liess sich blicken. So sah man Sören Uhle, Geschäftsführer der Chemnitzer Wirtschaftsförderungs- und Entwicklungs GmbH, die Hauptinitiator des Stadtfests und des #wirsindmehr-Konzerts ist – aber lediglich beim Rauchen, Döner essenoder kichern mit Barbara Ludwig, Oberbürgermeisterin (SPD). Doch nach 15 Minuten war das Chemnitzer Oberhaupt wieder verschwunden. Gott bewahre, dass man sich vielleicht mal zu Wort meldet oder gar befürwortet was mehrere Initiativen hier auf die Beine gestellt haben, um zu zeigen, dass Chemnitz wirklich weder grau noch braun ist. Aber im Gegensatz zu Michael Kretzschmar fand sie wenigstens den Weg zu uns. Der sächsische Ministerpräsident war auch in der Stadt, in der er wenige Wochen zuvor noch vor reichlich Faschos und besorgten Bürgern Rede und Antwort stehen musste zu den Geschehnissen nach dem Stadtfest.

Nach dem die offiziellen Redebeiträge und HipHop-Acts durch waren, haben wir unsentschlossen die Heimreise an zu treten. Hatten einige ja noch ein paar Kilometer zu fahren. Das stellte sich aber als gar nicht so einfach heraus. Die Polizei hat uns in der Innenstadt gekesselt. Wir durften die Hauptstraße nicht überqueren, da hier die geplante Nazidemo entlang laufen sollte (ja, sollte – in einer Stunde!). Auch hier wurden die Beamt*innen von Kreuzung zu Kreuzung unhöflicher, die eine Hand wusste nicht was die andere tut und wir durften deren eigenen Frust scheinbar ausbaden. Wir wurden einfach immer weiter den Innenstadtring entlang geschickt, bis es irgendwann hieß: “Sie müssen umdrehen, hier geht es nicht lang”. Super – hätten die Beamt*innen auch schon vor 2km sagen können, ehe sie uns dahin schicken. Aber wir sind ja höfliche Wampen und so kamen wir wieder am Ausgangsort, unserer Veranstaltung, an und hatten noch einen schönen Spaziergang durch Copland-Chemnitz mit weiten Umwegen.

Aber es war wichtig da zu sein, denn #wirsindmehr galt an dem Tag eher bei den anderen…

KW Pleißenburg